Dank Lovefilm (wo ich mich gestern eigentlich wegen The Good Wife als Testabonnentin registrierte, dann aber feststellte, dass sie das da auch nicht anbieten) gucke ich gerade wieder alte Kinderserien. Gelegentlich mache ich das, einfach, um mal abzuchecken, ob meine Erinnerung stimmt. So halte ich die Serie “Die Mumins” (die fast nichts mit den Mumins-Büchern zu tun hat) mittlerweile für eine nette Analogie auf einen LSD-Trip (nicht, dass ich da stichhaltige Beweise für hätte).
Bei Lovefilm sind alle Folgen der “Es war einmal …”-Reihe verfügbar. Ein kurzer Blick auf Wikipedia verrät, dass es sich bei der Reihe “Es war einmal … der Mensch” um eine französische Zeichentrickserie des Jahres 1978 handelt, die mal eben die Weltgeschichte abhandelt. Sie läuft gelegentlich auch immer mal wieder bei ARTE.
Nun studiere ich ja zum Teil das, was im Ableger “Es war einmal … der Mensch” behandelt wird. Nachdem man das reichlich pathetische Udo-Jürgens-Intro “Tausend Jahre sind ein Tag” überwunden hat:
[youtube=https://www.youtube.com/watch?v=BCAvJnCxJBA&w=420&h=315]
gibt’s interessante Geschichtsvermittlung. Ich habe seit gestern insgesamt drei Folgen zur Neueren Geschichte gesehen und fand gerade bei der Folge “Aufbruch ins 20. Jahrhundert” interessante Aspekte:
1. Man merkt eindeutig, dass das eine französische Produktion ist. Dass die deutsche Geschichtsschreibung bezüglich der Motorisierung natürlich auch stark national gefärbt ist, dürfte klar sein, aber, dass man bei der Geschichte der Motorisierung fast ausschließlich die französischen Erfindungen präsentiert, ist dann doch, nun ja, mindestens interessant – wobei die Namen Benz und Ford am Rande mal irgendwie erwähnt werden.
2. Dass das Deutsche Reich 1895 mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge assoziiert wird, geschenkt, passiert. Dass aber der Kolonialismus zwar zunächst verteufelt wird durch den Satz: “Die Zeit, die man die Schöne nennt, die belle epoque, zeigt den Menschen in seiner ganzen Hässlichkeit: der Sklavenhandel der Vergangenheit ist gewissermaßen ein kleiner Handwerkerbetrieb gegen die Fließbandproduktion fortschrittlicher Kolonialherren.” reicht m.M. nach nicht aus. Denn darauf folgt die stumpfe Wiedergabe kolonialistischer Aussagen mit einer kleinen Prise Ironie und gepaart mit einer Bild-Ton-Schere, die die indigenen Bewohner der Kolonialländer als erboste Wirrköpfe darstellt, die niemand versteht. Das erfordert für eine Kinderserie schon höheres Auffassungsvermögen, aber ich habe die Sendung im Vorschulalter geguckt und war wahrscheinlich auch nicht die Zielgruppe. Besonders nett ist auch eine Episode der Folge, in der der Einzug exotischer Waren gezeigt wird. Eine Mutter händigt ihrem Kind eine Banane aus, vor der dieses zunächst Angst hat. Dann erklärt die Mutter: “Ganz was Neues und Feines. Das schmeckt sehr gut, man nennt es Banane und es kommt aus Afrika, wo die schwarzen Menschen leben.”
3. Der Erste Weltkrieg wird recht ausgewogen dargestellt, was die sog. Kriegsschuldfrage anbelangt: “Die Ursachen des Ersten Weltkrieges liegen vor allem beim Verursacher. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Reiches macht Appetit auf neue Rohstoffgebiete und Absatzmärkte. Andere Ursachen kommen dazu: Frankreich will zum Beispiel gern Elsass-Lothringen zurück haben und hat durchaus Revancheabsichten gegenüber den Deutschen. Die Russen möchten die Vorherrschaft auf dem Balkan, England bangt um seine Vorherrschaft auf den Meeren, Japan möchte in China weiterkommen und Italien schaut begehrlich auf die Türkei.” Die Worte “Stellungskrieg und Eintritt Amerikas in den 1. WK” fallen auch. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass während der russischen Februarrevolution (wobei nie erwähnt wird, dass es die Februarrevolution ist) im Hintergrund immer leise die Marseillaise zu hören ist, irgendwann geht’s aber in die Internationale über. Lenin wird irgendwann im Zug angekarrt und das war es dann, angeblich wird in der nächsten Folge erklärt, dass das mit dieser Revolution schon ne mächtige Enttäuschung war, hab ich aber nicht mitbekommen…