“Alte Freunde wieder treffen…”

photo (5)Ich stimme mich mit zwei ehemaligen Klassenkameraden auf das Stufentreffen ein. Wir laufen in fast frühlingshafter Witterung den Berg hinunter, der vor zwei Jahren noch mit 40 Zentimetern Schnee bedeckt war. “Was studierst du noch mal? Irgendwas mit Medien, oder?” Man könnte fast meinen, wir wären mal besser befreundet gewesen, aber vielleicht war das auch nur eine dieser Zweckfreundschaften, die man halt hat, weil es sonst keine Leute in der 30.000 Einwohner Stadt gibt und man halt so nah aneinander wohnt. Wie dem auch sei: man freut sich, wenn man sich (trotzdem?) trifft.

Die Musik in der Kneipe ist ohrenbetäubend laut, es ist voll und die ersten laufen schon raus zum Rauchen. Die verschworene Rauchereckenclique gibt es immer noch, deren Band scheint irgendwie am stärksten gehalten zu haben. Im Gedränge sieht man ältere Semester und eine Menge Jüngere, die das Ganze noch vor sich haben. Ich schätze, sie machen dieses oder nächstes Jahr Abi. “Hey!” “Hey!” “Hallo!” “Huhu!” Umarmung hier, Umarmung da (ich erwähnte, dass ich Umarmungen hasse?). Whatsapp auf, den einzigen “Verbündeten” anschreiben: “Bist du schon da?” Ja, ist er, sitzt in der Ecke und hat augenscheinlich doch ein wenig Spaß. Ich nicht so. Ich hab keine Gesprächsthemen. Die Musik ist laut und schlecht.

Revolverheld singen irgendwas von “Alte Freunde wiedertreffen, nach all den Jahren”. Sind das denn dann noch Freunde? Es hat was von diesen Taschenwärmern, die man ganz oft knicken kann und die dann für eine halbe Stunde Wärme spenden. Man wärmt dann einfach zum hundertsten Mal die lustigen Geschichten von damals auf. Die Hälfte der Leute scheint irgendwie Lehrer zu werden und ist gerade im Referendariat oder bereitet sich drauf vor. Komme mir vor wie in einem Paralleluniversum. “Und sonst so?” – “Und sonst so?” Betretenes Lächeln. “Hey, was machst du denn so in deiner Studienstadt?” “Studieren.” “Aha! Und außer studieren?” Tja, ich hänge eigentlich die meiste Zeit im Netz rum, aber das ist nichts, was ich dir erzählen könnte. Du hast eben, als ich zum zweiten Mal leicht verzweifelt auf’s Smartphone starrte und leicht verzweifelte Tweets zum Hashtag Stufentreffen absetzte, nun, sagen wir, skeptisch geguckt. Hashtag ist ein Wort, das du aus Sendungen wie Circus Halligalli kennst und das du – wenn überhaupt – ironisch benutzt. Diese ganzen Internetopfer halt.

Also sage ich: “Ja, ich bin dieses Jahr umgezogen und sonst mache ich nicht viel. Und eigentlich müsste ich meine Masterarbeit schreiben.” Ich bin ziemlich langweilig für die, die sind es aber auch für mich. Am späten Abend, als wir den Berg wieder hoch laufen, werde ich mit dem Sandkastenfreund resümieren, dass das Ganze ziemlich oberflächlich war und dass man sich über den ein oder anderen schon freut.

Sowieso rede ich den ganzen Abend über vielleicht mit drei bis vier Menschen. Kurz zuvor wurde mir ein Artikel zugesteckt, dass uns Soziale Medien unsozial machen würden. Mag sein, ich hätte wahrscheinlich nicht viel mehr Spaß ohne Smartphone gehabt. Was machst du? Was hast du vor? sind Fragen, die man innerhalb von fünf Minuten beantworten kann, dafür muss ich mich nicht vier Stunden in eine von Helene Fischer und Revolverheld beschallte Kneipe setzen, während es einen Count gibt wieviele Liter Bier man jetzt nun schon gemeinsam runtergespült hat. Ich trinke Rum-Cola und beteilige mich daher nicht am Wettsaufen mit dem Nachbartisch. 21 Liter stehen schon auf dem Plasmabildschirm…

Gegen 12 Uhr mache ich schlapp. Wie damals mit 18.

Kommentare

Ines sagt:

Es gibt Leute in meiner Stufe, die gehen jedes Jahr zum Ehemaligentreffen meiner Schule – wie auch immer sie das aushalten. Ich gehe erst hin, wenn meine Stufe ihr eigenes Jubiläum feiert und gucke mal, was aus allen geworden ist (für mehr ist so’n Treffen doch eh nicht gut). Werde mich vermutlich mit denen unterhalten, die ich immer treffe, wenn ich mal wieder Zuhause bin und dadurch wird es ein netter Abend. Hoffe ich! Dein Abend klingt grausam.

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