Wie ich einmal ein unbezahltes Praktikum machte…

Ich wollte ja immer Journalistin werden. Eigentlich gab es gar nichts anderes als Journalismus. Okay, vielleicht Romanautorin, aber dazu müsste man es ja schaffen mehr als 50 Seiten am Stück schreiben zu können und außerdem bräuchte man ja so etwas wie literarisches Talent. Ich glaube, das habe ich gar nicht. Also versuchte ich Praktika zu machen. Journalistische Praktika will aber jede/r machen. Es gibt da eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in meinem Bundesland bei der muss man Folgendes machen, wenn man ein Praktikum bei ihr absolvieren möchte: man muss fünf Arbeitsproben (wichtig: die müssen auch so erschienen sein, zum Spaß irgendwas verfassen, reicht nicht.) einreichen, die nicht älter als zwei Jahre sind, dann natürlich ein nettes Anschreiben, einen Lebenslauf, eine Studienbescheinigung und man muss drei (?) Stationen angeben, wo man gerne sein Praktikum machen wollen würde. Ich habe dieses Prozedere zwei Mal mitgemacht und mir fällt jetzt leider nichts Nettes ein, also sage ich mal: ich bin anscheinend aus unterschiedlichsten Gründen nicht geeignet ein Praktikum dort zu machen. Ob das Praktikum vergütet worden wäre, weiß ich nicht, ich hab’s ja nie geschafft. Ich war lange wütend deswegen. Jetzt nicht mehr so.

Dann gibt es noch andere Praktikumsmöglichkeiten. Eine davon habe ich wahr genommen. Ich habe zwei Monate unbezahlt recherchiert, telefoniert und hatte schon viel Spaß. Das Problem war nur: es waren zwei Monate in den Semesterferien meines fünften Semesters. Ich hatte Arbeitstage von 8 Stunden pro Tag und drei Hausarbeiten zu erledigen. Habe ich mir selber ausgesucht. Genauso wie ich mir ausgesucht habe, in der Kantine vom Praktikumsbetrieb für 5 Euro am Tag zu essen. Es ist auch nicht so als hätte ich nichts gelernt. Ich denke nur, dass das mehr wert sein sollte als ein Firmenfeuerzeug, ein Kuli und ein “Dankeschön, dass du da warst” und auch 100 Euro im Monat für ein dreimonatiges Praktikum von 12 Stunden pro Woche finde ich, nun ja, fragwürdig. Bei geschätzten 44 Arbeitsstunden im Monat sind wir dann bei 2,27 Euro Stundenlohn. Aber man bekommt bestimmt ganz viel Erfahrung vermittelt und das, was man lernt, kann man bestimmt später auch super einsetzen, wenn man sich mit 30 anderen um eine Stelle prügelt.

Kommentare

Christopher sagt:

Meine Rede seit Jahren. Frag mal die Psychologie-Studenten, die im Studium in Praktikum in ihren Semesterferien (!) machen müssen (!). Die Mehrheit tut dies in klinischen Einrichtungen oder ambulanten Praxen. Da gibt es oft auch nicht mehr als einen feuchten Händedruck. (Das zieht sich dann ja bis in die Psychotherapie-Ausbildung hinein, ich sag nur “Psychotherapeuten in Ausbeutung”).

Auch bei Praktika in kleinen und mittleren Unternehmen ist die Bezahlung zuweilen schlecht. Man sammle ja schließlich Erfahrung und sei noch in der Ausbildung. Außerdem könne man als Praktikant für drei Monate ja gar nicht richtig eingesetzt werden.

Das sind alles vorgeschobene Argumente, um sich günstig Arbeitskraft zu beschaffen.
Natürlich soll einem ein Praktikum etwas bei bringen – aber das sollte mehr sein als am Existenzminimum zu leben. Während der Vorlesungszeit besteht ja meist genug Zeit nebenher zu jobben. Mit einem 40+ Stunden-Praktikum wird das aber schwierig werden.

tl;dr: Yep, stimme zu. Arbeitgeber wollen billige Arbeitskraft.

Arne R. sagt:

Mein teures Fräulein Ellebil,

sehen Sie sich als Lebensorientierung Franz Kafkas grippale Autobiografie “Das Schloss” an; sinngemäß bekundet dort sein Vorgesetzter Klamm, dass über die Frage der Vergütung von K. demnächst entschieden würde. Am Ende des Romans eröffnet sich eine vielversprechende Perspektive, denn der hustende Fuhrmann Gerstäcker deutet an, Kafka als bezahlten Gehilfen verwenden zu können.

Ihr Arne R.

[…] Jahnz alias das elle­bil erzählt, wie sie ein­mal ein unbe­zahl­tes Prak­ti­kum gemacht hat. Nun ja, es war nicht ganz unver­gü­tet, schließ­lich gab es immer­hin „ein […]

Falky sagt:

3 Monate = 13 Wochen; ergibt 1,92 €/h
(Ja, auch Feiertage müssen bezahlt werden)

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