Kleine Geschichte meiner Internetsozialisation – oder: Omma erzählt vom Kriiiiech.

Angefangen hat es 2000. Der damalige Freund meiner Cousine zeigte mir, wie ich Call-by-Call ins Internet kam (dass man damit Internetkosten von bis zu (damals noch) 90 Mark erzielen konnte, das sagte er meinem 11-jährigen ich natürlich nicht).

Es begann mit dem Harry Potter Chat, den der Carlsen Verlag damals noch betrieb. Die erste Internetzeit verbrachte ich meine tägliche halbe Stunde Internet (damals noch von meinen Eltern limitiert) bei allen Seiten, die irgendwas zum Thema Harry Potter veröffentlichten. Was danach kam, weiß ich nicht. Ich habe nur irgendwann vor kurzem den Schülerkompass für’s Internet gefunden. Wie man auf die Idee kommen konnte, ein Buch herauszubringen, in dem nur Internetadressen standen, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen, aber damals war meine bevorzugte Internetsuchmaschine auch noch yahoo.

Als Landkind war ich 2000 auch eine der Ersten die ins Internet gingen. Da fällt mir gerade ein, dass ich auch immer total gerne, die Schloss Einstein Vorschauen im Internet angeguckt habe. Wie der Scherz von schlüpfrigen Seiten im Videotext (!!!) auf das Internet abwanderte, indem man das Wort sex eingab (so  generiert man hier googlesuchen) und dass es mal Dialer gab, woraufhin ich im Alter von 12 Jahren bei der Telekom 0190er-Nummern für unseren Anschluss sperren ließ.

Aber springen wir mal ein paar Jahre. Es wurde Zeit cooler zu werden. Kilahu war bei uns total angesagt. Im Endeffekt ein Login-Chat, der nur lustige Späße bot (man konnte Leute im Chat in Käfige einsperren, sie treten oder sie küssen, juhu, voll cool, ey). Im Gegensatz dazu war der 1live Chat ein bisschen perverser, hier konnte man zwar spielen, aber auch Privatchats mit heißen Jünglingen haben (die meistens CS wollten und ich spreche nicht von Counterstrike), für mittlerweile 13-jährige Mädchen dann doch noch etwas verstörend, aber man konnte bei den anderen angeben. Als meine Klassenkameradinnen dann nach einer wilden Orgie auf chatfun von ihrem Chatpartner angerufen wurden, wurde die Sache dann doch etwas heikel und wir gaben die Chats auf.

Dafür fingen wir an uns im 1live-Liebesalarm zu tummeln, obwohl wir noch gar nicht 15 waren. Mit unserer ersten Digitalkamera machte ich die hässlichsten Fotos meines Gesichts (vgl. Ende dieses Eintrags). Irgendwann bließ ich mir sogar Luftballons auf und steckte sie unters Shirt, weil meine äußeren Geschlechtsmerkmale für mein Befinden noch nicht genug nach 15 aussahen. Stattdessen hatte ich mir wohl das unters Shirt gestopft, was man ein paar Jahre zuvor unter die Stichwörter Lolo Ferrari oder Atombusen gestopft hätte.

Im 1live-Liebesalarm fand man komische Männer, die einem komische Sachen schrieben. Ich zumindestens – lag bestimmt an meinem Atombusen. Eine Freundin von mir entdeckte ein 3 Jahre älteres männliches Exemplar mit dem wir irgendwann anfingen zu chatten, ob es damals schon ICQ war, weiß ich mittlerweile nicht mehr. Wir haben ihm auf jeden Fall zu Weihnachten ein selbstgebasteltes Kochbuch nach Kaarst geschickt, das voll teuer war. Als wir ihm erzählten, unsere 14-jährige andere Freundin sei schwanger und wolle ihr Kind Möp nennen, brach er den Kontakt vollkommen verständlicher Weise ab.

Nach dem 1live Liebesalarm kam uboot. uboot ist auch der einzige Grund, warum ich diese kleine Geschichte hier schreibe. uboot hat mir nämlich vor ein paar Wochen geschrieben, dass es immer noch lebt und es mein Profil auch immer noch gibt. Das ist vollkommen auf dem Stand meines 15-jährigen Ichs stehen geblieben. Ein Blick auf mein Profil lässt schnell erkennen, dass ich den Witz mit meinem Namen und GoodCharlotte total lustig fand und gerne sachen wie “boah isch lüüüp disch total” schrieb, inwieweit das auf Gruppenzwang und Streetcredibility zurückzuführen ist, möchte ich gar nicht mehr wissen.

Danach ging’s zu endless-fantasy.de, die Seite gibt’s immer noch und ist die Bauer-sucht-Frau-Tauschbörse für’s Sauerland. Der Günder der Seite kam mir immer etwas obskur vor und als sie kurzzeitig mal eine kostenpflichtige Seite aus endless machen wollten, ging’s auch ab. In erster Linie waren aber auch hier wieder alle meine Freunde, man hatte Bildergalerien, konnte sich komische Sachen schenken und sich gegenseitig das Gästebuch vollheulen. Meine endless-Karriere endete im Jahr 2008 als mein Exfreund mit mir Schluss machte und ich keine Lust hatte und auch nicht mehr die Möglichkeit haben wollte, ihn ständig stalken zu können. Außerdem war ich da schon länger bei StudiVZ angemeldet.

StudiVZ war toll, man konnte die ganzen Leute verfolgen, die man mal angehimmelt hatte, weil sie zufällig 3 Jahre vor einem die Schule verlassen hatte. Es gab dann auch noch diese lustigen Gruppen und hey, ich konnte mich sogar selber ins SchülerVZ einladen (dieser Account besteht auch noch und bekommt regelmäßig anzügliche Anfragen von 13-jährigen, obwohl dort kein einziges Foto drauf ist, dass mich 1. als weiblich charakterisiert und 2. in irgendeiner Weise anziehend wäre).

Mittlerweile bin ich bei facebook gelandet, seit Studienbeginn bin ich bei twitter, mal gucken wie es in 3 Jahren aussieht.

Kommentare

moritz sagt:

schöne idee, schreibe ich vielleicht morgen abend auch mal was zu. bei mir gings drei jahre früher los

BeverlyBeuel sagt:

Es gibt uboot noch? Oh mein Gott, ich muss rausfinden ob es meinen Account dort noch gibt.
Wahnsinn.

Welch schöner Rückblick. Ach ja, das Internet. ♥

Antipattern sagt:

Oh, Uboot, die hatte ich ja auch schon komplett vergessen. Ich habe mal nachgeschaut, ob meine Accountleiche dort inzwischen ein Zombie-Eigenleben führt, aber ich muss sie dann doch vor einiger Zeit gelöscht haben.

Aber schöne Zusammenfassung, es wird spannend zu sehen, wie es in ein paar Jahren aussieht. Anders als Uboot und Myspace versuchen Facebook und Twitter ja auch Websites außerhalb ihres eigenen URL-Bereiches zu durchdringen und richten sich nicht auf pubertierende Teenager aus, d.h. das Peinlichkeitspotential hält sich auch nach einigen Jahren in Grenzen. Mal sehen ob das reicht um die nächsten Jahre zu überleben.

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